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Besser SitzenDieser Artikel wurde uns freundlicher Weise von der FN und von Frau Schlemm-Poellein zur Verfügung gestellt Von Petra Schlemm-Poellein |
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Besser SitzenSitzen Sie gut? Hoffentlich! Das ist nämlich gar nicht so einfach. „Richtig“ auf einem Pferd zu sitzen ist sogar sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich. Der ideale Sitz ist eine Grundstruktur, keine Schablone, in die jeder passt. Dazu sind die Figuren von Reiter und Pferd zu verschieden und ihre Kombinationsmöglichkeiten fast unendlich. Jeder Reiter muss sein ganz eigenes Bewegungsgefühl sensibilisieren und daraus anhand der in der Reitlehre vorgegebenen Ideallinie einen „beweglichen“ Sitz entwickeln, der ruhig aussieht, obwohl er in Wirklichkeit höchst unruhig ist. Ziel ist es, die Bewegung des Reiters mit der des Pferdes in Übereinstimmung zu bringen. Besser Sitzen – das sind die sechs neuralgischen Punkte
Seit zwanzig Jahren beschäftigt sich Eckart Meyners, Experte für Bewegungslehre der Universität Lüneburg, wissenschaftlich mit den Anforderungen an den Sitz des Reiters. Inzwischen hat er seine zahlreichen Bücher, Aufsätze, Filme zum Thema „eingedampft“ auf ein „Sechs-Punkte-Programm“, das die neuralgischen Punkte für einen besseren Sitz erfasst. So erfahren ist der Sportlehrer inzwischen in der Beurteilung von Reitern, dass er schon auf der Stallgasse erkennen kann, wo ihre Hauptprobleme auf dem Pferd liegen mögen. Meyners: „Der Gang ist die Basis des Sitzens: Wer „über den Onkel geht“ hat vermutlich durch verkürzte Klemmer Probleme mit dem Mitschwingen. Ein Beinansatz wie bei Charlie Chaplin führt zu harter Gesäßmuskulatur und offenem Knie. Ein solcher Reiter kann sein Bein nur schwer geschlossen ans Pferd bringen.“ Reiten ist kein Kraftsport. Und Reiten ist mehr Gefühl als mechanische Anwendung. („Der Bock muss jetzt aber....“) Leicht gesagt, aber im Computerzeitalter immer problematischer. Sitzen ist die Haupttätigkeit der Menschen im 21. Jahrhundert und gerade deshalb macht diese Haltung auf dem Pferd immer mehr Probleme. 65 Prozent aller Kinder im ersten Schuljahr haben Haltungsschäden, 40 Prozent Koordinationsprobleme, 30 Prozent Herz- Kreislauf-Schwierigkeiten und weitere 30 Prozent neigen zu Fettleibigkeit. Wie soll ein Reitlehrer diesen jungen Patienten beibringen, auf einem Pferd besser zu sitzen als auf dem Sofa? Die klassische Vermittlungslehre hat es immer schwerer, zu solchen Reitschülern durchzudringen. Meyners verblüfft die Zuhörer seiner Seminare schon damit, wenn er nur „einen Millimeter vom Fingernagel“ des Gesamtkomplexes betrachtet. Kopf, Brustbeinbereich, Muskel- und Sehnenreflexe, das Kreuz-Darmbein-Gelenk, Beckenbeweglichkeit und richtiges Treiben - wer sich diese neuralgischen Punkte richtig vornimmt, der kann es plötzlich: besser sitzen. Oft sind es nur Kleinigkeiten, die dann große Wirkung entfalten und das nicht immer unbedingt dort, wo man es vermutet hätte. Das zeigen auch die hier vorgestellten Fälle. Alle drei Reiterinnen dienten bei einem gemeinsamen Seminar von Eckart Meyners und FN-Ausbildungsleiter Christoph Hess in Bettenrode als Beispiele. Besser sitzen zu wollen ist allerdings eine anspruchsvolle Aufgabe, die nicht in einem Seminar über vier Stunden zu bewältigen ist. Wahre Verbesserung lässt sich nur über ganze Kurse erzielen, die Meyners immer mit dem Schüler und dessen Reitlehrer gemeinsam abhält. Wer „Genuss sofort“ erwartet, ist falsch beraten. Meyners: „Beim ersten Mal wird das Bewusstsein für die möglichen Veränderungen geweckt. Beim zweiten Mal setzen gravierende Veränderungen ein und erst beim dritten Mal wird der Kick endgültig verankert.“
Fall A: Der noch nicht sehr gefestigte SitzMonique und ihr Pony bestreiten Reiterwettbewerbe und Dressurreiterprüfungen. Die Dreizehnjährige sitzt schon sehr gefällig auf dem mit Dreieckszügel ausgebundenen Schimmel, aber sie hat Probleme mit dem Mitschwingen der Hüfte im Trab. Sie schaut angestrengt und starr geradeaus. Ihre Hand wirkt fest, ganz besonders innen. Sie drückt die innere Schulter nach unten. Die Korrektur der Fachleute zeigt: Der Fisch stinkt vom Kopf. „Mal den Blick schweifen lassen“, fordert Meyners die junge Reiterin auf und: „Lächeln“. Beides zeigt erstaunliche Wirkung: Der Körper folgt dem Kopf als Monique gelassener in die Runde blickt. Sie merkt: Wer den Kopf hinten in den Nacken wirft, der plumpst mehr im Sattel. Ein Nase-etwas-mehr-runter lässt die Absätze federn. Der eindrucksvollste Ratschlag bezieht sich auf den Gesichtsausdruck: Als Monique lächelt, wird die ganze Körperhaltung geschmeidiger. Meyners hat des Rätsels Lösung parat, denn lächeln kann man nur mit lockerem Kaugelenk. Ein zusammengekrampfter Kiefer macht den ganzen Körper steif. Probieren Sie es mal selber (wenn keiner zuguckt!): Trab im Aussitzen mit geöffnetem Mund bzw. hängendem Unterkiefer. Das sieht zwar doof aus, aber wetten, dass Ihr Körper sich noch nie so schwingend hat mitnehmen lassen? (Trotzdem kein Zweifel: Lächeln sieht eleganter aus und beeindruckt gleichzeitig die Richter.) Noch ein zweiter „Trick“ aus der Schatzkiste der Erfahrungen von Eckart Meyners: Die Zunge gegen die Schneidezähne anstoßen, wenn es drauf ankommt oder summen. Das egalisiert körpereigene Ströme und aktiviert bekannte Bewegungsmuster. „Ich kenne mehrere Grand Prix Reiter, die so ihre Prüfungen reiten“, verrät Meyners. Verschiedene Kontrastübungen helfen Monique weiter: Sie legt sich im Trab nach vorn auf den Hals des Ponys, dann weiter hinter die Senkrechte oder „wie ein angeschossener Indianer“, so Hess, abwechselnd nach beiden Seiten. Danach sitzt sie besser „im Pferd“, insgesamt lockerer und weniger verkrampft. Auch die Hand ist ruhiger geworden. „Zwischen Becken und Hand besteht ein Funktionszusammenhang,“ erklärt Eckart Meyners. Erst aus dem schwingenden Becken entsteht die ruhige Hand. Das Schimmelchen dankt es seiner Reiterin und zieht sehr viel elastischer seine Bahn als vorher.
Fall B: „Kopfgesteuert“ und „Sand im Getriebe“Die Diplom-Mathematikerin Kathrin und ihre achtjährige Fuchsstute treten auf dem Turnier in A- und L-Dressuren an. Die Beine der Reiterin sind sehr unruhig, ihre treibende Hilfe kommt nicht durch. Sie zieht das ganze Bein hoch beim Treiben in jedem Schritt, die Knie sind weit geöffnet und das Becken steif. Kopf und Schulter sind schief und nicht ausgerichtet auf die Bewegungsrichtung. Reiterin und Pferd wirken gleichermaßen stakelig, ungeschmeidig und gezwungen. Eckart Meyners verfolgt sein Sechs-Punkte-Programm und der Erfolg ist verblüffend. Ein ganz verändertes Paar zeigt sich zum Schluss auf dem Viereck. „Das fühlt sich so an, wie sonst nur manchmal ganz am Ende der Stunde, wenn mein Pferd sich endlich loslässt“, kommentiert die Diplom-Mathematikerin schon nach kurzer Zeit. Die erste Korrektur setzt an bei der Bügellänge. Die Riemen werden kürzer geschnallt, denn, so Meyners, „sehr häufig liegt die Ursache für unwirksames Treiben in einem zu langen Bügel. Je gestreckter das Bein, desto mehr hebt es den Reiter aus dem Sattel“. Meyners tröstet die Noten-beflissenen Dressurreiter: „Die zwei Punkte, die vielleicht an der Gesamtnote für einen guten, gestreckten Sitz fehlen, die holt man oben bei den Einzelnoten leicht wieder rein.“ Dann wird Kathrin auf einen Stuhl gesetzt. Sie lockert das Kiefergelenk und Meyners massiert das Okzipital- oder Hinterhauptgelenk. Bei ihr lässt es sich deutlich als Knubbel ertasten. Anzeichen für starken Stress. Als nächstes nimmt sich Meyners das Brustbein vor. Es soll breit der Welt entgegengestreckt sein, nicht unter runden Schultern versteckt. Kathrin kreuzt die Arme vor der Brust, fasst mit der rechten Hand um den linken Oberarm und umgekehrt. Sie zieht sich halbseitig abwechselnd selbst nach vorn und seitwärts und steigt dann wieder auf. „Mein Kopf ist zurechtgerückt“, findet die Diplom-Mathematikerin. Und die Hüfte ist schon viel besser geworden, die Reiterin sitzt deutlich geschmeidiger. Die Probandin sitzt wieder ab und jetzt sind die Muskel- und Sehnenreflexe dran. Meyners regt sie mit geübtem Griff an, indem er die Rezeptoren auf der Schulter überspringen lässt. Kathrin verzieht das Gesicht und zeigt zu Fuß wieder eine Volte. Anders als vor der Behandlung schwingen jetzt die Arme. Auf dem Pferd fühlt sie sich zumindest im Sitzen schon viel besser als vorher. Adduktoren sind die Hüftbeuge-Muskeln. Fast schon eine Zivilisationskrankheit bei den Dauersitzern der Gegenwart: Oft sind sie verkürzt und verhindern damit einen besseren Sitz aus einem geschmeidig der Bewegung des Pferdes folgenden Becken. Auch hier weiß der Wissenschaftler aus Lüneburg, wo er anzusetzen hat, um die Muskeln zu lockern und Kathrin steigt wieder auf. Ihre Hüfte ist noch leichter geworden, die Schenkellage sehr viel besser. Christoph Hess kommentiert die Stute: „Sie hat die Leichtigkeit des Seins wiederentdeckt.“
Fall C: Probleme bei Beckenrotation und mangelnder „Biss“Ruth aus Schottland ist siebzehn Jahre alt und lernt als Working Student bei Philipp Hess. Sie reitet einen sehr erfahrenen bis S ausgebildeten bunten Fuchs-Wallach vor. Auf den ersten Blick ein Bild wie aus einem Guss, aber dann zeigt sich, dass der Oberkörper sehr steif ist. Die Dynamik aus den Bewegungen des Fuchses geht nicht durch ihren ganzen Körper. „Sie will unbedingt schön reiten und lässt sich nicht genug auf das Pferd ein“, diagnostiziert Eckart Meyners. Das Hilfsmittel der Wahl ist in diesem Fall der von ihm entwickelte „BaliMo“-Stuhl. Das Möbel sieht aus wie ein Klavierhocker, dessen Sitzfläche auf einem Kugelgelenk ruht. Hier lässt sich das Prinzip der „Balance in Motion“ auch ohne Pferd erfühlen. Ruth lässt mit dem Becken den Stuhl gezielt „nicken“ bei zwölf Uhr, drei Uhr, sechs Uhr, neun Uhr. Die kreisenden Bewegungen lockern das Becken und weitere gymnastische Übungen für den Hals- Nacken und Brustbereich - auf allen Vieren auf dem Boden - machen aus ihr eine Reiterin, die mit deutlich verbesserter Cross-Koordination über die Längsachse wirklich eins wird mit ihrem Pferd, es engagiert steuert und führt. Sie sitzt nicht nur „besser“ sondern richtig gut! |
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